Mario Leitner

Julia Vopava-Wrienz

Sie haben die HTL Wien 10 besucht; in diesem Zusammenhang interessiert mich, was Bildung für sie bedeutet?

Leitner: Ich glaube, dass Bildung eines der Grundfundamente für jeden weiteren Lebensweg ist. Darunter kann man sich vorstellen, dass das nicht nur die Allgemeinbildung ist, um in der Gesellschaft bestehen zu können, sondern ich glaube auch für die Berufswelt ist es das um und auf, dass Bildung so genutzt und gelebt wird, wie es für jeden individuell passt. Es ist eines der höchsten Güter unseres Staats – das muss man schon betonen.

Vopava: Ich war in der Abteilung für Elektrotechnik und habe trotzdem im Werkstättenbereich eine Dreherei gesehen und auch ein Drehstück angefertigt. Ich war auch beim Schweißen dabei und habe sehr viel Handwerkliches gelernt. Für mich ist nicht nur geistige Bildung wichtig, sondern auch die handwerkliche. Auch wenn ich studiert habe, war es für mich wichtig, dass ich in handwerklichen Arbeiten gut bin.

Für welche Fachrichtung haben Sie sich entschieden und was waren Ihre Beweggründe?

L: Meine damals in der HTL gewählte Fachrichtung war Elektrotechnik und dann in weiterer Folge auf der TU Elektro- und Energietechnik bzw. auch Energiewirtschaft. Das ist alles so miteinander verknüpft und ziemlich eng beieinander. Als 14-Jähriger ist es natürlich schwierig, dass man sich für einen Weg entscheidet. Ich glaube, man bekommt in den Grundschulen einige Basics mit. Bei mir war das halt im Physikunterricht die Elektrotechnik und Möglichkeiten die man mit der Elektrotechnik in der Fantasie, in den Vorstellungskräften eines Jugendlichen hat und dementsprechend habe ich mich dann für die Elektrotechnik entschieden; war im Nachhinein zum Glück auch die richtige Entscheidung.

V: Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe damals sehr viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen und es war dann eine Überlegung, ob ich im Gymnasium bleibe, die AHS Matura mache und Archäologie studiere. Dann habe ich beschlossen, dass ich doch etwas mit Technik zu tun haben will. Zu Beginn wollte ich etwas mit Computern machen, bin aber doch in die Abteilung für Elektrotechnik gegangen, um mir das mit dem Stromnetz und der Energietechnik genauer anzuschauen. Rückenblickend war es für mich die richtige Entscheidung.

Wie waren Ihre Erfahrungen an der HTL Wien 10?

L: Ich war von 1998 bis 2003 Schüler an der HTL Wien 10 und muss sagen, dass meine Erfahrungen durchaus positiv waren und als Professor nach wie vor sind. Ich glaube, dass die Grundlagen der Ausbildung – für egal welche spezifische Fachrichtung – mit gutem Praxisbezug aufgrund dessen, dass räumlich auch alles nahe beieinander liegt – die Werkstätten, die Labors, die Werkstätten-Labors und die Theorieunterrichtsräume – mitgegeben werden. Die Schüler haben wirklich alle Möglichkeiten, das Potenzial des Lehrplans auszuschöpfen und gleichzeitig hat der Lehrkörper alle Möglichkeiten diesen Bezug zwischen Theorie und Praxis zu schaffen. Dies gelingt ganz gut und daher ist nach meiner Einschätzung die Schule und der Ausbildungsweg sicher der Richtige.

V: Es war oft sehr schwierig und ich hatte nicht nur schöne Erlebnisse beim Lernen. Aber in Summe denke ich sehr positiv zurück und ich sehe im Nachhinein, dass uns sehr viel geboten wurde und wir eine gute Lehrersituation hatten. Ich weiß nicht, wie es heute ist, aber wir hatten ab der zweiten Klasse sehr wenige Schüler und haben dadurch ein sehr gutes Lehrer-Schüler Verhältnis gehabt. Dadurch konnte man den Lehrern viele Fragen stellen. Im Großen und Ganzen denke ich sehr positiv zurück.

Haben Sie während Ihrer Schullaufbahn jemals ans Aufgeben gedacht?

L: Also ich glaube – und dies sage ich eigentlich jedem – jeder denkt dazwischen einmal ans Aufgeben, vor allem wenn man Rückschläge einstecken muss. Das ist ähnlich wie im Privatleben oder Sport, das gibt es in der Ausbildung aber genau so im Berufsleben. Da denkt jeder und spielt jeder schon mal mit dem Gedanken aufzugeben. Das Wichtigste ist – und dass soll keine Floskel sein, sondern das ist wirklich aus dem Leben gegriffen – man muss halt immer wieder aufstehen und schauen, dass man sich sammelt, ordnet, seinen Hut aufsetzt und weiter macht. Und, wie gesagt, dass gilt nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für den Berufsweg, Lebensweg und auch fürs Privatleben.

V: Während der Schullaufbahn habe ich definitiv nicht ans Aufgeben gedacht.

Was waren Ihre Pläne, nachdem Sie die Schule abgeschlossen haben?

L: Nach der Schule bzw. nach dem Abschluss fällt einem erstmal ein großer Stein vom Herzen, man hat das Ziel, das man sich vor fünf Jahren gesteckt hat, endlich geschafft. Danach gilt aber auch hier wieder, man muss sich neu ordnen und für sich selbst überlegen: Was möchte man? Wo soll die weitere Reise hingehen? Und für mich war dann halt die Entscheidung, dass ich das Studium der Elektrotechnik weiterführen möchte und mir das ansehen möchte, mit der immer noch bestehenden Gefahr, dass die Richtung nicht passt. Dann braucht man halt einen „Plan B“, wo man sagt: ok, man richtet sich anders aus und seinen Berufsweg lenkt man in eine andere Richtung oder sucht dann einen adäquaten, eher praxisnahen Bezug zu der Thematik. Für mich waren das eben die Beweggründe. Ich wollte das Wissen theoretisch auch vertiefen und dementsprechend habe ich mich entschieden, das elektrotechnische Fach auszuweiten und an der Universität zu studieren.

V: Ich habe mich dazu entschieden zu studieren. Ich habe beschlossen als Wienerin nicht in Wien zu studieren, sondern ich bin in die Steiermark nach Leoben gegangen, um an der Montanuniversität zu studieren und habe mich da ein bisschen durchgekämpft. Nachträglich betrachtet war es die richtige Entscheidung.

Würden Sie uns verraten, welche erfolgreichen Erfahrungen Sie im Berufsleben bereits gemacht haben?

L: Ja, relativ Viele. Es ist ein harter Weg, das ist ganz klar. Aber harte Arbeit zahlt sich auch aus und ich glaube, dann kann man schon einen richtigen Weg für sich persönlich einschlagen. Etwas Glück gehört auch dazu. Bei mir war das dann so, dass ich nach dem Studium bei der Berufsfeuerwehr war, dann irgendwie darauf gekommen bin, dass es vielleicht nicht so passend ist und ich zu viel Zeit in Elektrotechnik investiert habe, um dann doch weit weg vom Fachgebiet zu sein. Ich bin dann eben zur Netzplanung der damaligen Wiener Energie Stromnetz bzw. heutigen Wiener-Netzte gewechselt und war dort sieben Jahre lang Referent, habe dann die Möglichkeit bekommen, die Abteilung der Netzplanung zu übernehmen, habe die Chance wahrgenommen, habe die Leute dieser Abteilung geführt und bin dann in weiterer Folge nach drei weiteren Jahren Bereichs-Leiter und Prokurist für die Netztechnik geworden, habe jetzt ca. 1000 Mitarbeiter in allen Bereichen von der Nieder- bis zur Höchstspannungsebene, vom Umspannwerksbau bis hin zum Trafostationsbau, zur Entstörung und zur Betriebsführung des gesamten Netztes und bin jetzt seit zwei Jahren gewerberechtlicher Geschäftsführer bei den Wiener Netzen.

V: Nachdem ich mein Masterstudium absolviert hatte, habe ich mich dazu entschieden meine Dissertation an der Montanuniversität zu absolvieren. Da ist es so, dass wir an der Universität angestellt sind und durch die Abwicklung von Projekten eine Dissertation verfassen können. Da auch einiges für die Dissertation in der Freizeit zu machen ist, kann es nicht als rein beruflicher Erfolg gewertet werden. Ich sehe es trotzdem so, da diese Dissertation basierend auf mehreren kleineren Projekten zum Thema E-Mobilität und deren Einfluss auf das elektrische Netz entstanden ist. In diesen Projekten ging es neben der Forschung auch darum Meetings zu organisieren, mit Partnern richtig zu kommunizieren und alles erfolgreich abzuschließen. Jetzt ist es so, dass ich noch an der Universität geblieben bin. Ich bekomme immer mehr Vertrauen und Verantwortung von meinem Chef übertragen und das empfinde ich ebenfalls als Erfolg.

Was war bisher Ihr größter beruflicher Erfolg?

L: Ja, ich glaube, das war eigentlich schon der größte berufliche Erfolg. Man wird relativ schnell ins kalte Wasser gestoßen und 1000 Mitarbeiter zu führen ist natürlich eine Herausforderung aber gleichzeitig auch ein großer Erfolg, wenn es gelingt. Und man sieht Jahr für Jahr, dass Projekte entstehen und Störungen geringgehalten werden, dass man Mitarbeiter ausbilden und weiterentwickeln kann, das sind schon alles berufliche Erfolge, die dann doch auch stolz machen.

Haben Sie bereits berufliche Erfahrungen gemacht, die nicht erfolgreich waren?

L: Ja, sogenannte Misserfolge wären das dann. Die gibt’s glaub ich immer. Aber es ist gut, wenn man diese verarbeitet und abhakt, deswegen kann ich jetzt gar keinen konkreten Misserfolg oder Fall nennen, aber die gibt’s natürlich auch und die gehören zum Berufsleben dazu. Man muss lernen mit ihnen umzugehen.

V: Wir arbeiten an Förderprojekten, das heißt wir bewerben uns um Fördergelder. Es war ein riesiger Erfolg für mich, dass ich einen großen Antrag mit Projektpartnern geschrieben habe. Ich hatte die alleinige Hauptverantwortung bekommen, durfte wirklich alles alleine machen und wir sind in der ersten Runde schon weitergekommen. Es ging um 14 Partner, also in Summe sind wir 15 unterschiedliche Parteien, die am Projekt mitarbeiten und ein Projekt mit rund 4,5 Millionen Euro auf die Beine gestellt haben. Wir wissen noch nicht, ob wir die Förderung bekommen, aber trotzdem ist die erste Hürde geschafft. Das ist derzeit mein schönster Erfolg.

Was war das letzte, herausfordernde Ziel, welches Sie sich gesetzt haben? Wie war Ihre Herangehensweise, um dieses zu erreichen?

L: Wir mussten Mitarbeiter in der Firma reduzieren und so etwas ist selbstverständlich nichts Angenehmes, es belastet einen und verlangt viel Nachdenken. Irgendwann hat man dann aber einen klar strukturierten und amikalen Weg vorbereitet, ohne dass Mitarbeiter mit großen Kündigungen belastet werden. Man versucht stattdessen Synergien zu heben, die Effizienz zu steigern und dann hat man das auch mit natürlichen Abgängen – sprich Pensionierung – geschafft, das ganze so zu kompensieren, dass wir heute beispielsweise vielleicht nur mehr 900 Leute sind, aber die gleiche Leistung erbringen.

L: Das letzte herausfordernde Ziel war eigentlich meine Dissertation abzuschließen, um meinen Doktortitel zu bekommen. Jetzt seit einem Jahr versuche ich den ganzen Stress und Druck, den ich hatte, abzubauen. Ich denke ich sollte mir nun ein Neues Ziel setzen.

Welchen Rat würden Sie gerne Ihrem jüngeren Ich geben?

L: Mein persönlicher Rat wäre, dass man sich klare Ziele setzt. Und zwar nicht viel zu große Ziele, sondern Etappen, die man immer konsequent mit einer Strategie verfolgt. Das Erreichen eines Ziels ist schon ein Erfolg, das Ganze dann aber verarbeiten, abzuhaken, sich nicht ausruhen und immer weiter tun ist das Um und Auf der heutigen Gesellschaft. Das Weiterbilden, das ehrgeizige Dranbleiben – das begleitet einem glaube ich ein Leben lang und ist die Grundthematik, die jeder mitnehmen sollte.

V: Schneller studieren. Ich habe von der HTL bis zum Ende meines Masterstudiums neun Jahre gebraucht. Nebenbei habe ich ein bisschen gearbeitet, war auch in der Studienvertretung und habe einen Verein aufgebaut für eine neue Studienrichtung.

Wie gehen Sie mit Misserfolgen und Fehlschlägen um?

L: Wie schon gesagt, die gibt’s immer wieder, sind definitiv nicht angenehm, die gehören leider zum Leben in irgendeiner Form dazu. Und ich glaub das Wichtigste ist, dass man sich sammelt, das aufarbeitet und dann verarbeitet, abhakt und nach dem nächsten Erfolg sucht.

V: Ich fresse alles in mich hinein, bis ich explodiere, aber ich glaube das ist nicht die schöne Antwort, die man geben sollte. Ich versuche, nachdem ich mich etwas beruhigt habe, etwas daraus zu lernen; dass ich es beim nächsten Mal besser mache. Ich habe gelernt, dass man Fehler macht und Misserfolge passieren und dass man am besten ein paar Vertraute hat, mit denen man offen darüber sprechen kann und die einem helfen aus diesen Misserfolgen zu lernen.

Wenn Sie heute nochmal Maturant:in wären, und Sie nochmal Ihr ganzes Berufsleben vor sich hätten, welche Entscheidungen würden Sie anders treffen?

L: Ich möchte kein Maturant mehr sein, weil die Zeit auch sehr stressig ist. Sie ist nicht nur lustig, sondern auch nervenaufreibend. Es ist nichts Angenehmes, auch wenn einem im Nachhinein dann ein großer Stein vom Herzen fällt. Den Weg würde ich aber genauso wie damals gehen. Ich würde die Ziele des Maturaabschlusses konsequent verfolgen und mich von keinen möglichen Rückschlägen unterkriegen lassen.

V: Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden, auch wenn mein Studium nicht ganz so einfach war. Im Nachhinein betrachtet glaube ich, würde ich genau denselben Weg einschlagen wie den, den ich gewählt habe.

Die Interviews wurden im Rahmen eines Projekts von Studierenden der 6AAELI durchgeführt.

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